In dem Projekt Picturing Berlin – Reporting my City lernen fotobegeisterte junge Erwachsene aus Berlin und Neuzugewanderte mit Bildern Geschichten zu erzählen.
Von Maritta Iseler, 19.03.2019Das Projekt, das von der Gesellschaft für Humanistische Fotografie (GfHF) organisiert wird, läuft derzeit im dritten und letzten Jahr. Seit 2017 entwickeln junge Erwachsene aus Berlin mit und ohne Fluchterfahrung in Workshops zwischen März und September ihre eigene visuelle Ausdrucksweise. Sie unternehmen Ausflüge zu Ausstellungen und entdecken ihren Kiez in Foto-Walks. 2018 haben die Fotografin Beatrice Schachenmayr und die Pädagogin Luzia Schminke das Projekt geleitet. 2019 werden die Teilnehmer*innen mit den Fotografinnen Schmoo Theune und Susann Tischendorf in Berlin unterwegs sein. Sie werden mit Berliner*innen in Kontakt treten, die Stadt kennen lernen und dabei verschiedene fotografische Techniken erproben. Ihre Fotografie-Reportagen über das tägliche Leben in der Stadt und über die Menschen, die sie ausmachen, wurden bisher in zwei Ausstellungen präsentiert. Im Gespräch mit WIR MACHEN DAS erzählt Barbara Bichler, Projektleiterin der GfHF, von der Arbeit mit jungen Menschen und davon, wie der Blick durch die Kamera den Blick auf eine Stadt verändern kann.
Wie kam es zu dem Projekt und wie tretet Ihr an die Teilnehmer*innen heran?
Wir arbeiten in unseren Fotografieprojekten schon seit vielen Jahren mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Das Medium ist nonverbal, erst einmal niedrigschwellig, und es macht Spaß, damit umzugehen, weil sofort Ergebnisse zu sehen sind. Fotografie eignet sich also ideal als Ausgangspunkt für Austausch und Kennenlernen. Und das ist es, was im Projekt „Picturing Berlin“ hauptsächlich passiert: Ganz unterschiedliche junge Leute treffen sich und lernen sich über ihre Begeisterung an der Fotografie kennen. Die Teilnehmer*innen finden wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartner*innen über klassische Öffentlichkeitsarbeit, über Social Media, in Schulen und Fotografie-Kursen. Auch in NGOs, über Organisationen und an Treffpunkten für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung oder über Mundpropaganda – wir streuen das Angebot also breit und bekommen sehr gutes Feedback.
Was waren die eindrücklichsten Erlebnisse bei den Begegnungen mit den jungen Erwachsenen?
Das schönste für mich waren bisher die Momente, in denen man merkte, dass sich Freundschaften über das Projekt entwickeln. Natürlich ist es spannend zu sehen, wie die Teilnehmer*innen ihre fotografischen Fähigkeiten ausbauen, wie sich ihr Blick schärft, wie sie selbst herausfinden, welche Geschichte sie über Bilder erzählen möchten und wie sie das dann großartig umsetzen. Die Ergebnisse waren bisher immer richtig gut. Aber wahrzunehmen, wie die Verbundenheit untereinander wächst, eine Verbundenheit, die entsteht, wenn wir etwas teilen und uns über eine gemeinsame Leidenschaft austauschen, das ist ein wirklich besonderes Erlebnis.
Es geht in Eurem Projekt vor allem um Selbstwahrnehmung: Es wird nicht über Eure Teilnehmer*innen berichtet, sondern sie kommunizieren über die Fotografie selbst. Entsprachen die Ergebnisse Euren Erwartungen, oder wurdet Ihr auch überrascht?
Ich war jedes Mal von der Qualität der Ergebnisse überrascht. Die Teilnehmer*innen haben wahnsinnig viel von den professionellen Fotograf*innen gelernt, die sie im Projekt begleiten. Und ich habe mich jedes Mal sehr darüber gefreut, wie Leute, die zu Beginn kaum ein Wort gesagt haben – auch weil sie vielleicht ihren Sprachkenntnissen noch nicht vertrauten – am Ende ihre fotografischen Serien mit Verve dem Publikum vorstellten. Das Projekt diente vielen als Sprachtandem, ohne dass es vordergründig darum ging.
Die nächsten Workshops beginnen am 6. April 2019. Mitmachen? Anmeldungen zum Projekt „Picturing Berlin – Reporting my City III“ ab jetzt unter dimitra@gfhf.eu. Weitere Informationen: http://gfhf.eu/education.php
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die Ausstellungen Picturing Berlin – Reporting my City (I+II) waren im f³ – freiraum für fotografie zu sehen.
Fotografieren lernen bedeutet Sehen lernen. Haben die Teilnehmer*innen mit dem Blick durch die Kamera ihren Blick auf die Stadt Berlin verändert?
Auf jeden Fall! Viele haben dadurch neue Wege durch ihre scheinbar bekannte Stadt entdeckt, viele haben sich überhaupt zum ersten Mal auf den Weg gemacht und ihre Stadt erkundet. Und alle haben sich bei Foto-Übungen draußen mit der Kamera oder bei Ausflügen zu Organisationen mit Leuten ausgetauscht. Oft war der Sucher ein Türöffner zum ersten Gespräch – und plötzlich war man nicht mehr nur in der Stadt unterwegs, sondern lernte die Menschen darin kennen.