Engin hat sich ein Jahr lang um einen Spielerpass für Joudi gekümmert. Foto: Quirin Leppert
Engin hat sich ein Jahr lang um einen Spielerpass für Joudi gekümmert. Foto: Quirin Leppert

6 Fragen an: Quirin Leppert

In seiner Fotoserie Wir sind da legt Quirin Leppert die Beziehungen zwischen Geflüchteten und ihren privaten Helfern offen und gewährt einen Einblick in die neu geknüpften Verbindungen. Im Kurzinterview erzählt er von seinen persönlichen Erfahrungen.

Von Juliette Moarbes, 01.12.2016

Vom 23. September bis zum 7. Oktober 2016 zeigte das FREELENS Gemeinschaftsprojekt die Gruppenausstellung Angekommen!? Fotografien zu Flucht und Ankunft in Deutschland in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Berlin. Neben zahlreichen Arbeiten anderer Fotografen war auch die hier in Auszügen gezeigte Serie Wir sind da von Quirin Leppert zu sehen.

Ihre Fotoserie des Gemeinschaftsprojekts Angekommen!? mit Fotografien zu Flucht und Ankunft in Deutschland hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Wie haben Sie sich dem Thema genähert und was war Ihnen besonders wichtig zu zeigen?

Quirin Leppert: Ich habe ja zwei Serien zur Ausstellung. Die eine besteht aus Reportage-Bildern von der grünen Grenze, die im Zusammenhang einer Auftragsarbeit für die Welt am Sonntag entstanden sind. Da war ich ein klassischer beobachtender Reporter und habe letztlich fotografiert, was ich gesehen habe.

Die zweite Serie zeigt die Doppelportraits, die ich inszeniert habe. Mein Ansatz war, Geflüchtete möglichst außerhalb des Kontextes „Flüchtling“ zu thematisieren. Mir war das Thema Beziehung wichtig. Die Doppelportraits zeigen Menschen, die auf unterschiedlichste Weise zueinandergefunden und Gemeinsamkeit entwickelt haben. Es sind Bilder von Menschen in Beziehungen, die so überall auf der Welt und zu jeder Zeit vorkommen. Und doch lassen die Aufnahmen spüren, dass etwas noch Ungewohntes, Scheues, Zartes stattfindet. Das, was letztlich auch normal ist in Beziehungen, steht hier sinnbildlich für die Situation von Neuankommenden – für den Neuanfang.

Wie sind Sie vorgegangen, wie haben Sie die Menschen gefunden, die Sie porträtiert haben?

Meine Mutter hatte ein Zimmer an einen syrischen Palästinenser vermietet – und so ist eine Beziehung entstanden und bei mir die Idee, genau diese Situation als Doppelportrait zu fotografieren. In Folge habe ich dann auch im Freundes- und Verwandtenkreis rumgefragt, wer noch einen persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen hat und wer bereit wäre, bei meinem Projekt mitzumachen.

Was könnte Ihrer Meinung nach mit dieser Arbeit bewirkt werden?

Meine Hoffnung ist, dass irgendwann selbst die Menschen, die mit Vorbehalten und Ängsten auf die Neuankömmlinge reagieren, etwas offener werden.

Welche Erfahrungen nehmen Sie als Fotograf und als Mensch mit aus diesem Projekt?

Die Erfahrung ist eigentlich immer dieselbe bei meinen Fotoarbeiten. Ich gehe mit bestimmten Vorstellungen und Ansichten an eine Geschichte heran, und sobald ich einen direkten Kontakt habe und ins Thema eintauche, verändert sich meine Sicht  und ich bekomme einen wesentlich differenzierteren Blick auf die Geschichte. Das verändert mich und meine Arbeit. Und es entstehen spannende Erfahrungen. Zum Beispiel in diesem Fall: Zuerst sind viele Menschen mit großer Euphorie in die Flüchtlingsarbeit eingestiegen, und sie haben neue Menschen und deren Geschichte kennengelernt. Im Laufe der Zeit haben dann der vielleicht manchmal zu persönliche Kontakt und die Erwartungen der Helfer an die Neunangekommenen die Situation etwas überstrapaziert. Ähnlich ging es mir als Fotograf: Auch ich bin mit großem Enthusiasmus an das Thema herangegangen und habe eher nur an meine eigenen Ideen gedacht. Im Laufe des Kennenlernens und auch der fortbestehenden Kontakte nach meinen Foto-Sessions merkte ich, dass die Menschen, die neu hier angekommen sind, ihre eigenen Ideen und Vorstellungen haben und diese nicht zwingend mit meinen korrespondierten. Dies ist nicht ein speziell der Flüchtlingsthematik geschuldetes Phänomen, sondern eines, das ich immer wieder bei meinen freien Projekten beobachte. Nämlich der Spagat zwischen subjektiver, künstlerischer Arbeit einerseits und dem Abbilden der Realität andererseits.

Was ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe der Fotografie heutzutage?

Dieselbe wie immer: Den Menschen einen neuen Blick auf die Welt zu ermöglichen.

An was für einem Projekt arbeiten Sie im Moment?

Mein neues Projekt heißt Passfotos. Ich fotografiere Pässe, die ich zuvor mit dem Rennrad erklommen habe. Das ist ein eher persönliches Herzensthema, um ein bisschen Pause vom Alltag zu haben. Hier kann ich wirklich ganz subjektiv die Bilder aufnehmen, die mir gefallen ohne mir bei der Bewertung der Ergebnisse über die gesellschaftliche Relevanz Gedanken machen zu müssen.

Foto von Quirin Leppert. Ali wohnt bei Ursl.
Ali wohnt bei Ursl.
Foto von Quirin Leppert. Carmen hilft Nada bei der Wohnungs- und Jobsuche.
Carmen hilft Nada bei der Wohnungs- und Jobsuche.
Foto von Quirin Leppert. Claudia begleitet Sayed bei seinen vielen Arztbesuchen.
Claudia begleitet Sayed bei seinen vielen Arztbesuchen.
Foto von Quirin Leppert. Sada macht im Bioladen von Uli eine Ausbildung.
Sada macht im Bioladen von Uli eine Ausbildung.
Mohammad und Doris. Doris bietet in ihrem Hotel Mohammad (und weiteren Syrern) Unterkunft - mit einem lachenden Auge und einem weinenden, da teilweise die Gaeste in Anbetracht der Fluechtlinge wieder abreisen.
Doris beherbergt Mohammad in ihrem Hotel.
Alpha und Lukas trainieren gerne zusammen.
Alpha und Lukas trainieren gerne zusammen.
Mariam und Sonja sind Freunde geworden. Sonja hat in Kairo studiert und spricht Arabisch.
Mariam und Sonja sind Freunde geworden. Sonja hat in Kairo studiert und spricht Arabisch.

 

Quirin Leppert, geboren 1963 in München, begann mit 21 Jahren nach Abitur und Zivildienst seine Laufbahn als Fotograf. Nach Assistenzen in Rom, London und Hamburg machte er sich 1992 selbständig und arbeitet seither für die großen deutschen Magazine und Zeitungen sowie für Werbeagenturen und Architekten. 2001 gewann er einen Kunst-am-Bau-Wettbewerb und schuf dafür 70 Fotografien, die fester Bestandteil des Neubaus der Bundesagentur für Arbeit in Neuruppin sind. Seine Bilder waren in verschieden Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Von 2004-2014 lehrte er an der Uni Innsbruck Architekturfotografie am Lehrstuhl Freies Gestalten. Der begeisterte Radrennfahrer ist verheiratet und hat 2 Kinder. Er hat sein Atelier in München und lebt in Allmannshausen am Starnberger See.

AUCH INTERESSANT