Die Bedingungen, ein Familienleben zu gestalten, sind sehr unterschiedlich und hängen von unseren Privilegien ab und manchmal auch davon, wie gut unsere Nerven gerade sind.
Von Sophie Reimers, 03.12.2018Wenn dieser Text erscheint, bin ich gerade in Elternzeit und habe quasi mein eines Baby (das Onlinemagazin) zeitweilig verlassen, um mich meinem neuen Baby (Lukas) zu widmen. Nach all den Monaten, in denen wir in der Redaktion gemeinsam über Ideen gebrütet hatten, fiel mir das gar nicht so leicht. Ich vermisse WIR MACHEN DAS jetzt schon ein bisschen. Deswegen kommen hier wenigstens ein paar Zeilen von mir zu dem Thema, um das es diesen Monat in unserer Community geht – Familie.
Es gibt Tage, an denen der Weg ins Büro und die dort wartende Arbeit mir wie eine Ruheoase vom Familienalltag erscheinen. Der letzte Wutanfall des Kindes auf dem Weg in die Kita – in dem Moment noch nervenaufreibend – wird, wenn ich meinen Kolleg*innen davon erzähle, Anlass, gemeinsam herzlich zu lachen. Wir alle kennen schließlich diese speziellen Familienmomente, die einen in den Wahnsinn treiben können. Der Austausch darüber verbindet und entlastet – denn es wird klar, keine Familie ist perfekt und überall gibt es Baustellen.
In Gesprächen mit anderen Müttern und Vätern, aber auch Söhnen und Töchtern finde ich immer spannend, wie vielfältig Familie gelebt wird. Denn auch wenn es so viele geteilte Themen gibt, sind doch die Bedingungen, unter denen Familie gestaltet wird, oft sehr unterschiedlich. Das beginnt bei gesellschaftlichen Regelungen wie dem Mutterschutz und spezifischen Normen, wie Kinder aufwachsen sollten und endet bei der ganz eigenen Dynamik jeder einzelnen Familienkonstellation. Je nach Kontext können diese Bedingungen das Leben mit Familie erleichtern oder erschweren und die Sorgen verkleinern oder vergrößern.
Viele Eltern wünschen sich ähnliche Dinge für ihre Kinder: dass sie ihren eigenen Weg finden zu einem erfüllten Leben, auch wenn das im Einzelnen sehr Unterschiedliches bedeuten kann. Was es den Eltern abverlangt, ist allerdings extrem von unseren Privilegien abhängig. Geht es darum, mein Kind einmal die Woche zum Fußballspiel zu begleiten und das Gebrülle übermotivierter Eltern am Spielfeldrand zu ertragen? Geht es darum, das Kind im überfüllten Wartezimmer beim Kinderarzt bei Laune zu halten oder am Süßigkeitenregal im Supermarkt vorbei zu lavieren, ohne etwas zu kaufen? Oder geht es um all das und zusätzlich die Sorge, wie ich meine Miete bezahlen kann oder mein Kind eine gerechte Chance auf Bildung bekommt? Für viele Eltern weltweit sind existenzielle Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder ein Grund, alles Mögliche in Kauf zu nehmen. Unter den Menschen, die sich gegenwärtig weltweit auf der Flucht vor Konflikten befinden, sind laut UNICEF rund 30 Millionen Kinder und Jugendliche. Von zu Hause fortzugehen und sich mit den Kindern auf zum Teil strapaziöse und gefährliche Routen zu begeben oder die jugendlichen Söhne und Töchter alleine loszuschicken, ist für Eltern sicher keine leichte Entscheidung. Auch wenn es ganz unterschiedliche Sorgen sind, die Eltern um den Schlaf bringen – von alltäglich bis existenziell –, gegenseitige Unterstützung ermöglicht uns allen, die jeweilige Situation besser zu bewältigen. Diese Solidarität mit anderen Familien auch im Alltagschaos zwischen Kita und Büro nicht aus dem Blick zu verlieren, ist nicht einfach, aber es bringt uns allen etwas, ganz sicher.