Isn’t it love

Die türkische Fotografin Ceren Saner beschäftigt sich in ihrer Arbeit unter anderem mit Liebe in all ihren Formen. Im WIR MACHEN DAS Magazin zeigt sie Bilder aus einer Serie über queere Parties in Istanbul.

Von Elisabeth Wellershaus & Juliette Moarbes, 15.02.2019

Im November 2017 wurde LGBTI- Nichtregierungs-Organisationen in der türkischen Hauptstadt Ankara verboten, kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Seit Juli 2018 ist der nationale Ausnahmezustand zwar offiziell aufgehoben, doch das Verbot besteht weiter. Die queere Szene in der Stadt wird dadurch radikal aus dem öffentlichen Leben gedrängt und steht damit nun noch mehr am Rande der Gesellschaft. Eine Entwicklung, die sich ebenfalls auf die LGBT-Bewegung im ganzen Land auswirkt.

Theoretisch ist Homosexualität in der Türkei bereits seit mehr als hundert Jahren kein Straftatbestand mehr. Und doch hat sich seit 2017, vor allem in Ankara, die Lage queerer Personen wieder dramatisch verschlimmert. Offene Anfeindungen häufen sich, wodurch eine neue Migrationsbewegung aus der Türkei entstanden ist. Aktivist*innen, die in der Türkei Gewalt und Repressionen ausgesetzt waren, leben mittlerweile in Deutschland.

Auch die Fotografin Ceren Saner lebt seit 2016 in Berlin. Unter anderem ist sie in Deutschland mit verschiedenen Fotoserien auf Tour, in denen sie queere Themen aus ganz persönlicher Perspektive thematisiert. Unter anderem die queeren Parties, die sie seit 2013 in Istanbul fotografiert hatte – zunächst solche, die von Freunden organisiert wurden, später öffentliche Veranstaltungen der gesamten Bewegung. „Als ich zum ersten Mal auf einer solchen Party war, war ich ziemlich überrascht“, erzählt Saner. Davon, wie selbstverständlich und liebevoll sich Menschen jeglicher sexueller Orientierung dort begegneten. Kurz darauf stellte sie sich die Frage, was ihr daran so schockierend erschien. Und warum gleichgeschlechtliche Liebe in der türkischen Gesellschaft nicht denselben Stellenwert und gleichen Raum verdient haben sollte wie hetero-normative. Sie kam zu einem simplen Fazit: „Es ist doch alles nur Liebe.“ „Isn’t it love?“ wurde zum Titel ihrer Fotoserie, die sie nun in Teilen hier im Magazin vorstellt. Es sind Detailaufnahmen von Menschen und Szenen, die ihre Privatsphäre schützen müssen. „Gesten sagen mindestens so viel über einen Protagonisten aus wie sein Gesicht“, findet Saner.

Ende vergangenen Jahres war sie wieder einmal in der Türkei, wo sie regelmäßig für Ausstellungen und andere Projekte hinfährt. Doch das Szenario, das sich ihr dieses Mal bot, erstaunte sie. „Die queere Szene war während der großen politischen Spannungen in eine Art kollektive Depression gefallen, ich hatte also keine besonders gute Stimmung erwartet“, sagt sie. Doch sie wurde überrascht von einer jungen queeren Szene, die sich von der Situation kaum beeindrucken lies. „Die Lage insgesamt ist schlimm, keine Frage. Aber ich war extrem berührt davon, wie wenig sich gerade junge Menschen davon abhalten lassen, kreativ zu sein. Menschen, die sich Räume suchen, in denen sie ganz sie selbst sein können. Die sich nicht davon abhalten lassen, widerständig zu sein und sich für einen menschenfreundlicheres Istanbul einzusetzen.“ Es ist diese Mischung aus Widerständigkeit und Gemeinschaft, die sich in Saners Bildern spiegeln. Bilder, die mit lakonischer Gelassenheit fragen: „Isn’t it love?“

Aktuell arbeitet Ceren Saner an ihrem Fotobuch „Inside the Ring“, das Bilder aus ihrem Berliner Leben zeigen wird. Im März wird sie an einer Veranstaltung zum Thema Frauen und Sexualität teilnehmen. Im April  spricht sie in Kiev bei der European Lesbian Conference. Und beim CSD Leipzig wird ist sie mit einer Lecture Performance zu „Isn’t it love?“ vertreten.

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