Für das europäische Medienprojekt „The New Arrivals“ begleitet die Fotografin Maria Feck die syrische Familie Abu Rashed beim Ankommen in Deutschland. Im Kurzinterview erzählt sie, was ihr bei dieser Arbeit besonders wichtig ist und was für sie ein gutes Porträt ausmacht.
Von Maritta Iseler, 11.05.2017Bei dem Projekt „The New Arrivals“ porträtieren Sie für SPIEGEL ONLINE die syrische Familie Abu Rashed. Wie haben Sie die Familie gefunden und wie sind Sie bei der Arbeit vorgegangen?
Maria Feck: Die Familie Abu Rashed habe ich bei einem gemeinsamen Kaffeetrinken im Rahmen einer freien Arbeit für die Willkommensinitiative Lüneburg kennengelernt. Eine ehrenamtliche Helferin, die mit der Familie eng vertraut ist, hat mich ihnen vorgestellt. Ich war besonders beeindruckt von den drei Töchtern der Familie. Sie haben viele traumatische Ereignisse hinter sich, aber dennoch den starken Willen ausgestrahlt, nach vorne zu schauen und ihren eigenen Weg zu gehen. Ihre dramatische Fluchtgeschichte zu hören, hat mich sehr berührt. Jetzt werde ich die Familie über eineinhalb Jahre zusammen mit meiner schreibenden Kollegin Eva Thöne begleiten.
Im Mittelpunkt des ersten Teils der Serie steht die älteste Tochter der Familie, die 23-jährige Ruaa. Sie hat hier in Deutschland die Chance auf ein Medizinstudium, das sie in Damaskus wegen des Krieges nicht aufnehmen konnte. Was macht ein gutes Porträt für Sie aus?
Beim Porträt kommt es auf die Nähe zu der fotografierten Person an. Das gilt für das Fotografieren wie für das Schreiben. Es ist wichtig, gemeinsam Zeit zu verbringen. Man sollte auch einmal ohne die Kamera dabei sein, den Menschen zuhören und Vertrauen aufbauen. Für ein gutes Porträt muss sich die Person mit mir als Fotografin wohlfühlen.
Was ist Ihnen bei der Arbeit mit Familie Abu Rashed besonders wichtig zu zeigen und mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Die Hauptidee für mich ist es, die kleinen und großen Hürden und Herausforderungen ihres Alltags zu zeigen. Auch die Gemeinsamkeiten mit dem Alltag von schon länger oder schon immer in Deutschland lebenden Menschen. Es geht darum zu zeigen, wie man in Deutschland eine neue Heimat finden kann, aber eben auch darum, dass Krieg und Flucht auch nach Jahren nie ganz vergessen werden können und den Alltag beeinflussen. Ich möchte Verständnis erzeugen und Mitgefühl. Auch möchte ich durch die Nähe zu den Protagonist*innen die Möglichkeit geben, Vorurteile abzubauen: Indem ich von anderen Wertvorstellungen, aber eben auch von Gemeinsamkeiten erzähle, möchte ich die Möglichkeit eröffnen, Angst gegenüber Menschen aus anderen Ländern abzubauen. Wer meine Bilder anschaut soll verstehen, dass wir uns als Menschen alle sehr ähnlich sind, egal wo jemand herkommt oder welche Religion er oder sie hat. Wir stehen gerade am Anfang des Projektes. Meine Kollegin Eva Thöne und ich werden die Familie Abu Rashed über einen längeren Zeitraum begleiten. Dabei ist es wichtig, immer wieder Rückmeldungen einzuholen: Fühlen sich alle noch wohl mit der Geschichte? Was möchten sie der Öffentlichkeit erzählen, was nicht? Immer wieder müssen die Familienmitglieder und wir das neu ausloten. Eine Herausforderung ist es auch, zu so einem aufgeladenen Thema wie Flucht und Migration den richtigen Ton zu finden. Wir haben in diesem Fall die Kommentarfunktion unter unseren Beiträgen ausgestellt. Der Aufwand, um menschenverachtende Kommentare zu löschen, wäre leider enorm. Die Kommentare und Unterstellungen, auch gegen uns als Autorinnen, sind eine schwierige aber auch interessante Erfahrung. Und wir haben eine große Verantwortung gegenüber der Familie.
Maria Feck, geboren am 21.07.1981, absolvierte ein Studium in Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie in Hamburg, danach ging sie an die Hochschule Hannover, um ihre Kenntnisse im Studienfach Fotojournalismus und Dokumentarfotografie zu vertiefen. Es folgte ein Auslandsaufenthalt in Dänemark an der Danish School of Media and Journalism in Aarhus, wo sie einen Abschluss in Advanced Visual Storytelling erwarb. Sie lebt und arbeitet als freie Fotografin in Hamburg, regelmäßig ist sie für nationale und internationale Magazine und Zeitschriften unterwegs, für die sie neben Fotos auch Videos produziert. Zu ihren Auftraggebern gehören unter anderem Der Spiegel, Die Zeit, Greenpeace und die Süddeutsche Zeitung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in ihren Reportagen über soziale Randgruppen, Migration und gesellschaftliche Umbrüche. Seit Februar 2017 dokumentiert sie für das Projekt „The New Arrivals“, zusammen mit der Journalistin Eva Thöne, den Alltag der syrischen Familie Abu Rashed in Deutschland.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus diesem Projekt bis jetzt mit – als Fotografin und als Mensch?
Eine schöne Erfahrung ist, mit welch großem Vertrauen uns die Familie einen Einblick in ihren Alltag und ihr Leben gibt. Es ist schön zu sehen, dass wir am Ende alle die gleichen Dynamiken und Probleme haben. Ich freue mich darüber, etwas von der syrischen Kultur zu lernen.
Es ist zurzeit besonders „angesagt“ Geflüchtete zu fotografieren. Wie kann man als Fotograf*in einen voyeuristischen Blick vermeiden?
Ich habe das Thema nicht gewählt, weil es angesagt ist. Für mich ist es ein Thema, das mich schon seit Jahren beschäftigt. Angefangen zu fotografieren habe ich 2013 bei der Gruppe Lampedusa in Hamburg. Das Thema war einfach Teil meines Alltags. Vor meiner Haustür sozusagen. Das Voyeuristische lässt sich meiner Meinung vermeiden, indem man einfach Zeit mit den Menschen verbringt. Wenn ich das Vertrauen der Menschen habe, gelingt es immer, Emotionen abzubilden, an die jeder anknüpfen kann.
An was für einem Projekt arbeiten Sie zurzeit noch?
Ich habe immer viele unterschiedliche Projekte laufen. Ich arbeite gerade an einer Reihe über den Alltag von Native Americans und begleite eine Familie, die in eines der Balkanländer abgeschoben werden soll.