Refugee Voice: Mein Herz bricht

Ich bin aus Syrien geflohen, weil ich nicht getötet werden wollte. Aber hier sterbe ich auch, langsam.

Von Boryana Ivanova, 12.01.2016
Bild von Ahmad. Foto: Boryana Ivanova
Foto: Boryana Ivanova

Ich bin aus Syrien geflohen, weil ich nicht getötet werden wollte. Aber hier sterbe ich auch, langsam. Jeden Tag, wenn ich zur Asylbehörde gehe und auf meine Papiere warte. Ich starre zehn Stunden lang auf einen Bildschirm und warte darauf, dass meine Nummer aufgerufen wird. Stück für Stück weicht die Hoffnung  der Angst und den Sorgen . Ich bin besorgt, denn ich muss so schnell wie möglich eine Arbeit finden und meine Familie zu mir holen. Mein Herz bricht jedes Mal, wenn ich schlechte Nachrichten aus Damaskus höre. Ich bange um das Leben meiner Frau und meiner vier Kinder. Es war eine schwierige Entscheidung ohne sie nach Europa zu kommen.

Der Weg nach Deutschland war ein Albtraum. Ich musste sieben Länder durchqueren. In der Türkei und in Ungarn wurde ich verprügelt. Aber hier in diesem Schwebezustand festzustecken, ist fast noch schlimmer. Ich warte schon seit einem Monat auf meine Papiere und ich bin bereit noch einen weiteren Monat zu warten. Wenn ich bis dahin keine Dokumente bekommen habe, werde ich versuchen, meinen Pass zurück zu bekommen und nach Syrien zurückzukehren. Ich habe kein Geld, aber ich bin mir sicher, Gott wird mich auf meinem Weg beschützen und mir helfen. Ich weiß meine Familie braucht mich und ich kann sie nicht enttäuschen.

In Damaskus habe ich mit blinden und gehörlosen Kindern gearbeitet. Ich war immer beeindruckt davon, wie präzise ihre Wahrnehmung von Personen und Situationen war. Dass sie ihre Augen nicht nutzen konnten, machte ihre Herzen viel sensibler und empfänglicher. Ich vermisse diese Kinder und es fühlt sich so an, als hätte ich sie verraten, als ich sie verlassen habe. Das ist eine weitere schwierige Entscheidung, mit der ich nun leben muss. Ich hoffe, dass sich am Ende all die Schwierigkeiten und der Schmerz, gelohnt haben.

REFUGEE VOICE ist ein Versuch, die Diskussion um Flucht und die Menschen, die flüchten, menschlicher zu machen und die häufig negative Wahrnehmung zu verändern. Boryana Ivanova möchte mit den Portraits und den persönlichen Geschichten zeigen, dass jeder Mensch seine eigenen Sorgen und Träume hat.

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