Refugee Voice: Weil ich einen Traum habe

Neue Freundschaften zu schließen hier in Berlin, das hat mir am meisten geholfen

Von Boryana Ivanova, 07.03.2016

Foto: Viktor Richardsson
Foto: Viktor Richardsson

Ich bin 23 Jahre alt und Zahntechniker. An der Universität in Damaskus studierte ich Zahnmedizin. Vom ersten Tag an der Uni machte ich eine praktische Ausbildung in einem Labor. Am Morgen besuchte ich Vorlesungen an der Uni und flitzte danach sofort zur Arbeit ins Labor. Nach nur sechs Monaten erhielt ich eine Festanstellung. So hatte ich nach zwei Jahren meinen Abschluss. Doch schon sehr bald änderte der Krieg einfach alles. Als ich noch an der Universität studierte, nahm ich regelmäßig an den Demonstrationen teil. Und ich hatte eine Hip-Hop Band. Wir versuchten unserer Frustration über die politische Situation mit der Musik auszudrücken. Schnell setzte sich das Regime durch und Soldaten machten unser Leben unmöglich. Ich wusste, dass es lediglich eine Frage der Zeit war, bis ich im Gefängnis landen würde und das war nicht das, was ich vom Leben wollte. Ich wollte arbeiten, Karriere machen und ein aktives Mitglied der Gesellschaft sein. Das ist es, was ich vom Leben wollte.
Ich organisierte meine Flucht nach Ägypten und arbeitet ein Jahr dort. Nur zwei Tage nach meiner Ankunft in Kairo, fing ich an zu arbeiten. Ich kann nicht in einem fremden Land leben ohne zu arbeiten. Ich muss Geld verdienen, um mich selbst zu finanzieren. Als meine Arbeitserlaubnis nicht verlängert wurde, musste ich in die Türkei gehen. Weil ich die Sprache nicht beherrschte, dauerte es in Istanbul 15 Tagen bis ich eine Arbeit fand. Nach 8 Monaten wurde unser Mietvertrag nicht mehr verlängert, weil wir junge syrische Männer waren. Zu diesem Zeitpunkt, wuchs in der Türkei bereits die Abneigung gegen die wachsende Zahl von Syrern, die in die Türkei kamen. Wir haben die halbe Stadt abgesucht, konnten aber keine Wohnung finden. Das nahm ich als Zeichen, um weiterzuziehen. In diesem Moment beschloss ich, Asyl in Europa zu beantragen, nicht um Hilfe zu bekommen, sondern um arbeiten zu können.

An Weihnachten 2014 erreichten mein Bruder und ich Deutschland. Neue Freundschaften zu schließen hier in Berlin, das hat mir am meisten geholfen. Eine freiwillige Helferin in der Unterkunft erklärte mir, wie ich nach Arbeit suchen kann und sie stellte für mich den Kontakt mit dem Chef eines Dentallabors her.  Vor einem Monat erhielt ich schließlich meine Aufenthaltserlaubnis und erhielt die Anstellung im Dentallabor. Ich arbeite in der Kieferorthopädie und mache Zahnspangen. Zu den Kunden haben ich keinen direkten Kontakt, und mit meinen Kollegen spreche ich ein wenig Deutsch, das ich in Youtube-Videos und ehrenamtlich organisiertem Sprachunterricht gelernt habe. Meine Kollegen sind alle sehr nett zu mir und sie freuen sich, einen syrischen Kollegen zu haben. Dennoch möchte ich die Sprache lernen. Das ist der Wechsel vom Geflüchteten, zu jemandem, der hier ein normales Leben führen kann. Du wirst ein Geflüchteter bleiben so lange du die Menschen um dich herum nicht verstehst. Sobald du Deutsch sprichst, werden die Menschen aufhören dich nach deinem Äußeren zu beurteilen. Du wirst die Chance haben, zu erzählen, wer du bist.
Ich mache alles, so schnell wie möglich, weil ich einen Traum habe – ich möchte mein eigenes Labor eröffnen bevor ich 30 Jahre alt werde. Ich möchte anderen Menschen Arbeit geben und zur Gesellschaft beitragen, mit allem, was mir zur Verfügung steht.

 REFUGEE VOICE ist ein Versuch, die Diskussion um Flucht und die Menschen, die flüchten, menschlicher zu machen und die häufig negative Wahrnehmung zu verändern. Boryana Ivanova möchte mit den Portraits und den persönlichen Geschichten zeigen, dass jeder Mensch seine eigenen Sorgen und Träume hat.

Übersetzung: Patricia Bonaudo

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