Verena Meyer. Foto: privat
Foto: privat

Verena Meyer

In welchen Einrichtungen arbeitest du?

In Hannover bin ich im Mädchenhaus zwei13 e.V. als Beraterin für Mädchen und junge Frauen in Krisensituationen tätig. Mein Schwerpunkt liegt dort auf der Verknüpfung von Empowerment- und Traumaberatung im Kontext von Diskriminierungsverhältnissen. Darüber hinaus haben meine Kollegin Celia Diédhiou und ich die Gruppe EQUAL* initiiert. Dabei handelt es sich um ein Angebot von und für Mädchen und junge Frauen, die nicht in Deutschland geboren sind. Es geht um Stärkung und Empowerment durch Austausch in gemütlicher Atmosphäre. Wir essen zusammen, erzählen uns lustige und traurige Dinge und planen gemeinsame Aktionen. Eine weitere Herzensangelegenheit ist für mich das Hotspot of Power Netzwerk. Ich habe es 2016 in Kooperation mit Golschan Ahmad Haschemi von der Praxisstelle „ju:an – antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit“ initiiert. Seitdem hat sich ein ausgesprochen inspirierendes Netzwerk von und für Jugendliche und junge Erwachsene of Color etabliert, das weit über die Stadtmauern von Hannover hinaus strahlt.

Was macht ihr bei Hotspot of Power?

Hier geht es vorrangig um Empowerment, Vernetzung, politische Aktionen und Peer-Education. Die erste Hotspot of Power-Konferenz fand 2016 in Hannover statt. Die Beiträge reichten von Performance, Poetry und Ausstellung über Vorträge und vieles mehr. Für mich und die anderen war das ein absolut überwältigendes und berührendes Event! 2019 ist bereits in Planung. Die Crew wächst stetig und mit ihr auch die Aktionen. So haben beispielsweise unter dem Motto „Hotspot of Power bildet“ 2017 und 2018 Fortbildungen mit der Psychologin und Traumatherapeutin Dileta Sequeira stattgefunden. Auch hat die Hotspot of Power-Crew gemeinsam mit den EQUAL*s während des Clinch-Festivals in Hannover eine Lounge für Besucher*innen of Color gestaltet. Im neuen Jahr stehen Vereinsgründung, Öffentlichkeitsarbeit und eine Konferenz an.

Wie bist du zu deinem Engagement gekommen?

Schon als Kind waren Ungerechtigkeiten für mich unerträglich. Mein innerer Drang, mich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen, hat schon meine Grundschullehrer*innen zur Weißglut getrieben. Nun bin ich seit mehr als 20 Jahren in der Jugendarbeit aktiv, wobei es mir immer darum ging, mich für mehr selbstbestimmte Räume von und für junge Menschen einzusetzen. Anfangs ging es darum, ganz allgemein Orte der Beteiligung zu schaffen, damit offene Jugendzentrenten überhaupt erhalten und nazifrei bleiben. In meiner Entwicklung und der Arbeit mit den jungen Menschen habe ich dann irgendwann verstanden, dass Ausrufe wie „Gleiches Recht für alle!“ unterschiedliche Assoziationen auslösen und sich schnell die Frage auftut, ob damit denn auch wirklich alle gemeint sind. Wenn ich solche Slogans ernst nehme, werden Bedarf und Bedürfnisse in Bezug auf Räume sichtbar, die ich vielleicht noch gar nicht beachtet habe. So kam es, dass ich mich zunächst hauptsächlich für Mädchen*räume und  erst später kamen dann Räume für Schwarze und People of Color dazu. Bis hierhin war es ein lang anhaltender Prozess mit vielen persönlichen und beruflichen Auseinandersetzungen, der viele Ebenen meines professionellen Handelns stärkt.

Was sind die größten Herausforderungen deiner Arbeit?

Die Arbeit mit Multplikator*innen! Leider werden Themen wie Rassismus und andere Formen der Diskriminierung immer noch viel zu selten in den Ausbildungen von pädagogischen Fachkräften behandelt. Die Empowerment-Prozesse von Kindern und Jugendlichen of Color werden dadurch selten ausreichend begleitet. Das hat zur Folge, dass diese jungen Menschen unheimlich viel Wissensaneignung nachholen müssen. Oder, wie viele Fachkräfte of Color es tun, neben der Ausbildung noch externe Bildungsformate in Anspruch nehmen wie zum Beispiel Empowerment-Seminare. Auch wenn weiße Pädagog*innen, die meine Seminare besuchen, unendlich motiviert sind und wollen, dass sich etwas verändert, ist es oft ein langer Prozess, bis eine nachhaltige Veränderung für das professionelle Handeln eintritt. Häufig setzen sie sich bei mir zum ersten Mal tiefgehender mit dem Thema Rassismus und dessen Auswirkungen auf ihr Arbeitsfeld auseinander. Die Geduld dafür aufzubringen fällt mir manchmal schwer, weil dadurch viele Kinder und Jugendliche immer noch nicht die Unterstützung und Hilfeleistungen bekommen, die sie eigentlich benötigen.

Was treibt dich an, weiterzumachen?

Zu wissen, dass ich so viele tolle Kolleg*innen of Color bundesweit habe, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen und tolle Projekte initiieren, schenkt mir jede Menge Inspiration und eine ordentliche Ladung Mut. Bewusst zu erleben, was an Veränderung in einem rassistischen Umfeld möglich ist, das vor zehn Jahren für mich noch Utopie war, hilft mir dabei, nicht aufzugeben.