Hend Alrawi. Foto: Heike Steinweg
Hend Alrawi. Foto: Heike Steinweg

Hends Geschichte

Müde und durcheinander, den Geruch vom Meer und seinem Salz in unseren Kleidern.

Von Hend Alrawi, 01.02.2016
Hend. Foto: Heike Steinweg
Hend Alrawi. Foto: Heike Steinweg

Hier gehen wir nun, auf den Steinen, entlang der kalten Eisenbahnschienen. Unsere Schicksale miteinander verwoben, eingehüllt in Erschöpfung, gehen wir, in unseren Köpfen die schmerzhafte Realität, die uns ins Unbekannte mit all seinen Ängsten geschickt hat.

Was kommt als Nächstes?

Werden wir unser Ziel erreichen? Müde und durcheinander, den Geruch vom Meer und seinem Salz in unseren Kleidern, schleppen wir unsere schweren Taschen. Ich ging, meine Mutter folgte mir. Die Müdigkeit stand in ihrem Gesicht, bereitete mir Sorgen, aber sie nahm mir nicht meine Kraft.

Unterwegs wurden ein syrischer Mann und ich darum gebeten, auf unsere Gruppe aufzupassen. Wir beide sprachen gut Englisch. Er war ein guter, ein positiv denkender Mann. Er gab sein Bestes, um die uns übertragene Aufgabe zu meistern. Ich traf ihn im Bus, wo sie ihm eine Nummer gaben, damit er die Gruppe entlang der Bahnschienen bis zur Grenze begleiten konnte. Und wir erfüllten unsere Aufgabe, versorgten die Gruppe mit Wasser, Nahrung und all den anderen lebenswichtigen Dingen. Ehrlich gesagt, war die Erschöpfung gar nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das uns erfüllte, wenn wir die Bedürfnisse der anderen stillen konnten und ihr Leid – zumindest ein wenig – linderten.

Die Helfer der Vereinten Nationen und des Roten Kreuzes füllten den Ort. Ehrenamtliche Ärzte und alle anderen arbeiteten hier in geordneten Bahnen. Ich konnte nicht glauben, dass all diese Güte für uns sein sollte. Also ist die Welt doch gut. Und plötzlich traf mich eine Frage wie ein Blitz und sie lässt mich bis heute nicht los: Wenn die Welt wirklich gut ist, warum widerfährt all das meinem Land und warum bin ich hier?

 

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